Das System Claus Vogt – VfB Präsident

oder VfB Stuttgart – „Verein für den großen „Bluff“
von Sebastian Müller

Seit langen Jahren kommt der VfB Stuttgart nicht zur Ruhe. Sportlich bleibt er allzu oft weit unter den Erwartungen und vor allem den eigenen Ansprüchen – und intern geben mehrere Verantwortliche ein Bild ab, das der aktuellen sportlichen Leistung und dem Tabellenplatz 18 entspricht. Für diesen Beitrag wurden Unmengen an internen Dokumenten, E-Mails, Protokollen und verschiedene Schriftwechsel ausgewertet. Darüber hinaus wurden Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Gremienmitgliedern, Angestellten und ehrenamtlich Engagierten des VfB geführt. Daraus ergibt sich ein Bild über den VfB Stuttgart, das schlimmer kaum sein kann: Das „System Vogt“.

Seit Beginn der Präsidentschaft von Claus Vogt wird der Verein in einer Art und Weise geprägt, die in anderen Branchen vielleicht sogar als kriminell bezeichnen würde. Drohungen, Einschüchterungen und Angst, die vom Präsidenten und seinem engeren Umfeld ausgehen, sind beherrschend für dasKlima in Teilen des VfB. Dabei bezeichnet sich Claus Vogt selbst als „Fan-Präsident“, er will der Präsident der Aufklärung und der Transparenz und von hoher ethischer Moral sein. Das gehört zu seinem Markenauftritt, dem sorgsam gepflegten Image Die Wirklichkeit zeigt allerdings, dass Claus Vogt genau das Gegenteil von dem ist, was er nach außen kommuniziert. Und in letzter Zeit immer öfter in öffentlichen Stellungnahmen aufrechtzuerhalten er versucht.

Das von ihm selbst öffentlich geformte Bild hat rein gar nichts mit dem freundlich grinsenden und winkenden Präsidenten zu tun, den die Öffentlichkeit kennt. Die Wahrheit ist brutal: Mitarbeiter haben teilweise Angst vor ihm und bestehen bei Personalgesprächen darauf, diese nur in Begleitung weiterer Zeugen oder gar durch einen Anwalt begleitet zu führen. Vor allem wenn Vogt diese Gespräche unter vier Augen führen möchte oder gar die VfB Gespräche nicht auf dem Vereinsgelände, sondern in seiner Firma in Waldenbuch führen will. Selbst Lisa Lang hat es abgelehnt, ihr Personalgespräch allein in seinem Büro in Waldenbuch zu führen.   Alles, was Thomas Hitzlsperger in seinem offenen Brief ansprach, trifft nach unseren Recherchen nicht nur zu 100Prozent zu, sondern war damals fast noch viel zu harmlos formuliert. Er lebt getreu dem Motto: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich – und wer gegen mich ist, wird vernichtet.“ Ernsthafte Kritik darf nicht geäußert werden. Da trifft einen der Zorn des Präsidenten. 

Schwer verdauliche Kostprobe

Eine für den Anfang noch fast harmlose Kostprobe: Ursprünglich war für den VfB intern ausgeschriebenen Posten als Vereinsmanagerin nicht Lisa Lang, sondern Charlotte Hutt vorgesehen, also eine langjährige und erfahrene Mitarbeiterin des VfB und nicht die berufsunerfahrene Lisa Lang. Die damaligen Präsidiumsmitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler hatten bei den beiden Bewerberinnen Hutt und Lang für Hutt votiert. Vogt wollte Lisa Lang, die er bereits aus dem von ihm gegründeten Verein „FC Play Fair“ kannte. 

Vogt wollte diese Abstimmung im Präsidium für Hutt nicht akzeptieren. Gegenüber den Präsidiumsmitgliedern, der Personalleiterin des VfB und den beiden Vorsitzenden des Vereinsbeirats wurde Claus Vogt in einer Sitzung deutlich: Er verkündete den Anwesenden, sollte Charlotte Hutt tatsächlich das Amt antreten, dann würde er ihr „das Leben so zur Hölle machen“, sodass Frau Hutt nach spätestens zwei Wochen kündigen würde. Aufgrund dieser Ansage, die durch mehrere Teilnehmer in der Wortwahl bestätigt wurde, suchte Bernd Gaiser als Präsidiumsmitglied das Gespräch mit Frau Hutt und erklärte ihr, dass man aus reiner Fürsorge die bereits zugesagte Stelle ihr wieder entziehe und sie weiter in der AG im Business-Team beschäftigen würde. Inzwischen hat Frau Hutt nach fast 17 Jahren Tätigkeit auf eigenen Wunsch den VfB als festangestellte Mitarbeiterinverlassen.

So wurde Lisa Lang von Claus Vogt zur Vereinsmanagerin gemacht. Lisa Lang ist im April 2021 mit großen Ambitionen angetreten und war dem Präsidenten anfänglich treu ergeben. Aber auch hier hat sich das Blatt inzwischen gewendet: Im Laufe der Zeit wurde Lisa Lang klar, was Thomas Hitzlsperger in seinem Offenen Brief aus dem Dezember 2020 meinte. Denn Claus Vogt führt den VfB nicht, so wie es das Amt eines Bundesligisten erfordert. Wie Thomas Hitzlsperger schon geschrieben hatte: Er führt nicht, er informiert zu wenig, er fällt selten Entscheidungen, er pflegt keinen offenen Austausch und keinerlei Streitkultur.“ Am besten beschreibt Thomas Hitzlsperger ihn im folgenden Satz: „Der Profilierungswunsch eines einzelnen bedroht so die Existenz des ganzen Vereins.“

Unter solch unprofessioneller Vereinsführung durch den Präsidenten ist es für eine junge unerfahrene aber engagierte Vereinsmanagerin extrem schwer, ihre Rolle vollständig auszufüllen. Denn eine Vereinsmanagerin ist auf die Zuarbeit des Präsidenten angewiesen. Die ehemaligen Präsidiumsmitglieder Gaiser und Mutschler schrieben im Dezember 2020 an den Vereinsbeirat, wo die Probleme mit Claus Vogt liegen:

„Mangelhafte Beiträge des Präsidenten Claus Vogt zu Arbeitsprozessen, z.B. verzögerte oder unsachgemäße Erstellung bzw. Verabschiedung von Protokollen, mangelhafte Mitwirkung an wichtigen Weichenstellungen in Strategieklausuren etc.“

„Zur Agenda gingen von Claus Vogt kaum bis keine Beiträge ein. In der Klausur wurden gemeinsame Schwerpunkte in der Präsidiums-Arbeit festgelegt. Im Nachgang wurden Themen durch Claus Vogt nicht konsequent abgearbeitet.“

„Keine Beiträge von Claus Vogt zur Agenda trotz mehrmaliger Aufforderung…“ 

„Mangelhafte Sitzungsleitung bei Präsidiums-Sitzungen und präsidiumsinitiierten Sitzungen mit dem Vereinsbeirat und den Abteilungen“

„schwache weil passive Sitzungs-Führung“

„mangelhafte inhaltliche Vorbereitung“

Im Aufsichtsrat ging es nicht besser zu. Der Aufsichtsrat sah sich sogar gezwungen, in einem „Brandbrief“ folgendes gemeinsam an Vogt als Aufsichtsratsvorsitzender zu schreiben:

„Um unserer per Gesetz auferlegten persönlichen Verantwortung nachzukommen, müssen wir vor allem notwendige Beschlüsse und Stellungnahmen zum Wohle der VfB AG aber auch treffen können. Die gestrige Sitzung hat aber wieder gezeigt, dass Sie uns das als unser Vorsitzender allerdings massiv erschweren und in Teilen unmöglich machen. Wir können das in dieser Form nicht weiter akzeptieren und behalten uns für den Fall, dass sich das nicht kurzfristig ändert 

weitere Schritte ausdrücklich vor.

Es kann nicht sein, dass man uns Tagesordnungen in veränderter Form vorlegt, Sitzungen nach Belieben abbricht oder verschiebt und notwendige Beschlüsse verhindert, …


Wir rufen Sie deshalb auf sich umgehend zu einer konstruktiven Arbeitsweise zu bekennen und uns dies auch zu erklären.“

In einer weiteren Mail des Aufsichtsrats an Vogt heißt es: „…bis zum fehlenden Basiswissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen einer ordnungsgemäßen Corporate Governance, in der Summe über Ihre fehlende Qualifikation für diese Aufgabe in vielerlei Hinsicht.“ 

Dennoch hat sich Lisa Lang in ihre Aufgabe gut eingearbeitet. Allerdings sind die Rahmenbedingungen als Vereinsmanagerin für sie inzwischen so belastend, dass auch sie ihren Abgang als Vereinsmanagerin bereits eingeleitet hat – und das ist vorrangig in der Person Claus Vogt begründet. 

Hierzu folgender Hintergrund: Natürlich hat Lisa Lang inzwischen erkannt, wie Vogt den Verein wirklich führt – und von dieser Art der Führung ist sie, vorsichtig ausgedrückt, nicht begeistert. Intern hat sie sich diesbezüglich gegenüber Kolleginnen und Kollegen sehr freizügig und kritisch sowienegativ über Claus Vogt geäußert. Solche Äußerungen haben dann auch direkte Konsequenzen. In Lisa Langs Fall sollten es finanzielle Konsequenzen sein. Denn Lisa Lang wurde vom Präsidium gebeten, als Co-Trainerin der 1. VfB Frauenmannschaft auszuhelfen. Aufgrund der nunmehr aufgebrachten Fahrkilometer bekam Lisa Lang einen Dienstwagen. Der reduzierte allerdings steuerlich ihr netto Monatseinkommen um rund 300 Euro. Da sie für die Leistung als Co-Trainerinkeine Vergütung erhält, hatte man sich im Präsidium darauf geeinigt, ihr Gehalt so anzupassen, dass die Dienstwagensteuer im Nettobetrag ausgeglichen werden soll. Vor dem Hintergrund der zeitlichenMehrbelastung und Aufgabenerweiterung eine für den VfB sehr „günstige“ Lösung.

Aber die Erhöhung ließ dann plötzlich auf sich warten. In einer E-Mail an das VfB-Präsidium erinnerte Lisa Lang dann an die eigentliche Absprache. Die Antwort von Vogt dauerte nur wenige Minuten undbestand auch nur aus einem Wort: Abgelehnt“.

Inzwischen hat Lisa Lang mit Alex Wehrle eine Vereinbarung getroffen, dass sie hauptamtlich und in Vollzeit vom e.V. in die AG wechselt und sich ganz auf die Frauenmannschaft konzentriert, die inzwischen nicht mehr zum e. V., sondern zur AG gehört. Somit verlässt Lisa Lang den e. V. zum 31.März 2023. Ein Wechsel, der nach außen als Gewinn für die Frauenmannschaft verkauft wird sowie als logische Konsequenz aufgrund der persönlichen Präferenzen von Lisa Lang. Wäre das Verhältnis zu ihrem ehemaligen „Fürsprecher“ inzwischen nicht so unterkühlt, hätte dieser Wechsel wahrscheinlich so nicht stattgefunden oder wäre zumindest in anderer, ehrlicherer Form erfolgt. Um es in der Außendarstellung aber nicht weiter eskalieren zu lassen, hat sich Lisa Lang entschieden, die restliche Zeit sich einfach zu fügen und keine weitere Kritik zu äußern und ihr Engagement im e. V. jetzt langsam auslaufen zu lassen.

Diese Vorgehensweise in der Personalführung gab es bereits früh nach der Wahl vom 15.12.2019. Der damalige Generalsekretär des Aufsichtsrats, Patrick Wehnhardt, hat Claus Vogt bereits am 17.12.2019 angekündigt, dass er ihn sofort entlassen wollte, quasi als erste Amtshandlung. Der Aufsichtsrat und die AG stellten sich allerdings quer, doch nach einigen Wochen gab Wehnhardt auf und unterzeichnete nach acht Jahren VfB-Zugehörigkeit einen Aufhebungsvertrag. Hartmut Jenner holte ihn zu Kärcher, sein „Nachfolger“ wurde Moritz Müller. Aber auch dieser zog es im April 2021 nach drei Jahren Vereinszugehörigkeit vor, zum FC Augsburg zu wechseln. Gegenüber Vereinsbeiratsmitglieder deutete er bereits Ende 2020 seine baldige Kündigung an, die Arbeitsbedingungen unter Claus Vogt seinen ausserhalb dessen, was man von einer Vereinsführung sonst gewohnt wäre.

Die Anfänge des Endes

Blickt man zurück auf die Anfänge des populären, man möchte schon fast „populistischen“ Höhenfluges

von Claus Vogt sagen, wird mit dem heute nötigen Abstand zur damals aufgeheizten Stimmung rund um den VfB einiges klarer. Zu einer Zeit, in der damals wild spekuliert, öffentlich angefeindet und attackiert wurde. Ein Blick, der vor allem mit dem heutigen Einblick in alle damaligen Gutachten, Gerichtsprotokolle und Unterlagen ein sehr erhellendes Bild über die „VfB-Datenaffäre“ gibt – also über den echten Ausgangspunkt für Claus Vogts heutige Machtbasis im Verein.

Eine entscheidende Rolle sollten hier die drei Gutachten von Esecon und dem von Esecon bei der Kölner Kanzlei Seitz beauftragten vierten Gutachten darstellen. Ganz abgesehen davon, dass die Esecon Beauftragung durch Claus Vogt vermutlich widerrechtlich geschah, da er sie alleine, ohne Beschluss des Präsidiums erteilte und die Beauftragung nur seine Unterschrift trug. Im Prinzip war dieser Auftrag also sein Privatvergnügen.

Der Aufsichtsrat der AG und die AG selbst haben ebenfalls Gutachten bei Gleiss Lutz und Osborne Clark in Auftrag gegeben. Das Ergebnis dieser Gutachten war nur nicht ganz so skandalös, wie Claus Vogt es gerne gehabt hätte. Ihm war klar, dass er bereits nach den ersten drei Monaten seiner Amtszeit von fast allen im Präsidium, Vereinsbeirat, Aufsichtsrat und Vorstand der AG so „angezählt“war, dass er selber erahnen konnte, dass man ihn Ende 2020 nicht für eine zweite Amtszeit nominieren würde. Retten konnte ihn nur ein Skandal. Ein Skandal, bei dem er vermeintlich im Sinne der Mitglieder die Mitgliederrechte gegen alle verteidigte, gegen die, die beim VfB angeblich doch so „unanständig“ sind und sich ihm und seiner „ehrlichen“ Aufklärung nur in den Weg stellen. Denn er will angeblich (!) aufklären und das Ansehen des VfB retten, wobei alle anderen angeblich ihr „unlauteres“ Handeln zum Schaden des VfB vertuschen möchten. So die Ausgangslage in der öffentlichen Wahrnehmung der Datenaffäre. Eine Wahrnehmung, die Vogt selbst als Informant zahlreicher Medien überhaupt erst gerierte.

Wie man das mit einem Skandal am besten hinbekommt, hatte ihm Michael Astor im Frühjahr 2020 verraten. Astor, der als Bundesbetriebsprüfer beim Bundeszentralamt für Steuern amtlich bestellt ist.Die beiden kannten sich noch aus den ehemaligen Mitgliederausschüssen des VfB. Im Grunde war Michael Astor der „Ideengeber“ dafür, wie man die „Datenaffäre“ richtig groß machen könne. Das schadete zwar dem Verein, aber es half Claus Vogt, sich als „edler, weißer Ritter“ im Kampf gegen die Etablierten im Verein und als Kämpfer für die Mitgliederrechte zu positionieren. Genau das hatte nämlich Esecon als „eigentlichen“ Auftrag: Den vermeintlichen Skandal erst recht zu einem Skandal zu machen, nachdem die beiden anderen Gutachten nicht zum großen Skandal taugten. Das wird auch aus einer weiteren Mail des Aufsichtsrats an Vogt deutlich: „Die Beauftragung von Esecon hat für verdammt viel Geld zur Aufklärung überhaupt keinen Beitrag geleistet. Das war weder vom Prozess her noch vom Ergebnis her ein professionelles Vorgehen, im Gegenteil.“

Um was ging es eigentlich bei dem „Datenskandal“ noch einmal? – Die Öffentlichkeit ist sich sicher: Es wurden 2017 Daten an Dritte weitergegeben, um gezielt Mitglieder zu bespielen und diese bei der Abstimmung zur Ausgliederung des Profifußballs in eine AG „positiv und zustimmend“ zu beeinflussen. Das wurde als fester Fakt kommuniziert und der damalige Dienstleister brüstete sich in einem Podcast mit dieser Leistung. Allerdings ist diese Darstellung mehr als fragwürdig: Weder der Landesdatenschutzbeauftragte noch die ersten beiden Gutachten konnten Beweise erbringen, anhand derer dieser Vorgang tatsächlich rechtswidrig zu belegen gewesen wäre. Die im Zuge der Datenaffäre 2021 entlassenen fünf Personen aus Vorstand und Führungsebene bei der VfB AGgewannen alle ihre Arbeitsgerichtsprozesse oder erzielten Vergleiche. Das Gericht konnte bei keinem der entlassenen VfB-Funktionsträger einen Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen aus dem Jahr 2017 oder nachfolgend feststellen, der eine Entlassung 2021 gerechtfertigt hätte. Entsprechend hohe Abfindungen als Millionensummen mussten vom VfB als Entschädigung an die Entlassenen gezahlt werden. 

Das Bußgeld, das der VfB zu bezahlen hatte, resultierte daraus, dass die damalige Datenschutzvereinbarung mit dem Dienstleister nicht umfänglich formuliert und in Teilen gar nicht unterzeichnet war, was einem groben Verfahrensfehler entspricht, der mit einem Bußgeld belegt werden musste. Der Imageschaden des VfB hätte aber deutlich kleiner gehalten werden können, wenn man nicht Vermutungen zu Tatsachen erklärt hätte. Denn hier spielte ein zeitlicher Umstand Claus Vogt in die Karten. Der ganze Vorgang ereignete sich zu einer Zeit, in der noch die alte, rein deutsche Datenschutzverordnung galt. Diese war damals nicht so umfangreich gestaltet wie die im Mai 2018 in Kraft gesetzte Europäische Datenschutzgrundverordnung.  Somit trat diese also erst fast ein Jahr nach dem vermeintlichen „Datenmissbrauch“ in Kraft. Viele Fans und Mitglieder, die sich damals (Ende 2020) ärgerten, brachten das aber nicht zwingend in den richtigen zeitlichen Zusammenhang. Denn das vermeintliche Vorgehen des VfB mit den Mitgliederdaten wäre nach der alten Gesetzeslage möglich gewesen, wenn man die Formalitäten eingehalten hätte. Mit der Gesetzeslage, die seit Mai 2018 in Kraft ist, wäre ein solches Vorgehen nun unzulässig. Moralisch kann man das generell diskutieren, juristisch wäre es aber nicht zu beanstanden. Hätte es den Aufschrei der Fans und Mitglieder wirklich in der großen Form gegeben, wenn es am Ende juristisch lediglich um einen gravierenden „Formfehler“, nicht aber um einen möglichen echten datenschutzrechtlichen Skandal ging? Hätte man das Wohl des Vereins im Auge gehabt, dann hätte der Vorgang sicherlich ein nüchternes Ende gefunden. Und ganz nüchtern betrachtet, nach Durchsicht aller sechs Gutachten, kann man sagen, dass hier große Summen aufgebracht wurden, die am Ende nicht wirklich ein brauchbares Ergebnis lieferten. Das einzige wirkliche Ergebnis lieferte das „siebte“ Gutachten des Landesdatenschutzbeauftragten. Das war und ist für den VfB das einzig bindende und auch das einzige mit Konsequenzen und das hat als Gutachten nicht einmal etwas gekostet, außer das auferlegte Bußgeld, wegen Formalfehler. 

Hier ging es aber nicht um den Verein, hier ging es um die Geburt des „Mythos Claus Vogt“. Einer, der davor stand, die kürzeste Amtszeit in der VfB-Geschichte zu erreichen und der zugleich möglicherweise nach einem Jahr Amtszeit nicht für eine zweite Amtszeit zugelassen worden wäre. 

Mit der von ihm erzählten Geschichte war er plötzlich immun gegen alle Kritiken. Die Pfeilspitze drehte sich. Die Gremiumsmitglieder waren über Nacht machtlos, die Fanszene tobte und Claus Vogt war der „edle, weiße Ritter“ im Kampf gegen alle anderen. Echte Argumente und klare Fakten zählten nichtund sollten auch nicht zählen. Die Fans, vorrangig die Twitter und Podcast Welt legte sich fest, einzig der Präsident sagt die Wahrheit und alle anderen lügen.

Ein Umstand, den Thomas Hitzlsperger und alle anderen Führungspersonen in Verein und AG am Anfang völlig unterschätzten und der sie selbst am Ende aus allen Ämtern drängte. Denn ihre Strategie war es, das Image des Vereins nicht zu beschädigen, den gesamten Sachverhalt sehr ruhig und besonnen anzugehen und vollumfänglich aufzuklären. Sie rechneten nicht damit, dass Claus Vogt der Verein egal war und er in zerstörerischer Absicht nur seine persönliche Agenda zu verfolgen schien. Dieses Vorgehen war für alle weit außerhalb dessen, was sie sich vorstellen konnten. Und genau diese Vorgehensweise machte sie am Ende alle machtlos – oder wie hatte es Thomas Hitzlsperger im offenen Brief noch einmal formulierte: „Der Profilierungswunsch eines einzelnen bedroht so die Existenz des ganzen Vereins.“

Wie subtil Claus Vogt auch hier agierte, zeigen folgende Punkte. „Mister Transparenz“ bzw. der selbsternannte „Fan-Präsident“ Claus Vogt spielt (!) immer nur diese Transparenz. Exemplarisch dafür ist der Umgang mit den Gutachten. Er verkündete mit großer Geste, er wolle die Gutachten aus Transparenzgründen veröffentlichen. Damals aber ging das angeblich nicht, Grund: Die damals laufenden Arbeitsgerichtsprozesse. 

Die Veröffentlichung aller drei Gutachten war aber offensichtlich nie sein Plan, denn sonst hätte erlängstens nach Einigung in den Arbeitsgerichtsprozessen und dem geschlossenen Vergleich die Gutachten veröffentlichen können. Dass er dies nicht tat, hat gute Gründe. Wären alle sechs Gutachten veröffentlicht worden, dann hätte jeder lesen können, wie groß der Unterschied zwischen den Gutachten von den zwei renommierten Kanzleien („Gleiss Lutz“ und „Osborne Clark“) zu der im Markt umstrittenen Kanzlei Esecon ist. Hierzu schrieb der Aufsichtsrat an Vogt, nach dem er sich als großer Aufklärer hat feiern lassen: „Damit übergehen Sie bewusst, dass wir als Aufsichtsrat der AG und Thomas (Anm. Red. Hitzlsperger) für den Vorstand, gemeinsam dieses Kapitel aufgearbeitet haben Übrigens mit Hilfe von seriösen Anwaltskanzleien. „

Interessant ist auch, dass nur das Esecon-Gutachten an einzelne ausgesuchte und Vogt gewogene Pressevertreter geschickt wurde – im Gegensatz zu den anderen beiden Gutachten. Genau so lief auch das Procedere zwischen dem DFB und Esecon ab. Es gibt hier in der Skandalisierung einige interessante Parallelen zwischen VfB und DFB, beginnend mit der Beauftragung von Esecon. 

Das Gutachten hilft immer nur dem direkten Auftraggeber in Person und vernichtet die Gegner des Auftraggebers. Beim DFB half es anfänglich Reiner Koch – und beim VfB half es am Ende nur Claus Vogt. Die Ähnlichkeiten zwischen beiden in ihrem jeweiligen Verhalten sind auch hier erstaunlich ähnlich. Erwähnenswert ist noch, die Veröffentlichung erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem Claus Vogt beim VfB der Einzige war, der das Gutachten hatte. Und so ist es beim VfB ein offenes Geheimnis, dass Claus Vogt selbst die Informationen an die Presse durchgestochen hat oder hat, durchstechen lassen. Denn es nützte nur ihm in seiner Strategie, nicht dem Verein.

Dazu gehörte auch der besondere Winkelzug, wegen der Veröffentlichung des Esecon-Gutachtens in der Stuttgarter Zeitung und im Spiegel medienwirksam zeitgleich einen Aufschrei zu konstruieren und sofort die Staatsanwaltschaft ins Spiel zu bringen – wegen „Geheimnisverrats“. 

Die vermeintliche und durch Vogt öffentlich kommunizierte Anzeige ging nie bei der Staatsanwaltschaft ein. Man kann es auch mit folgendem Bild beschreiben: Der Ladendieb schreit auf der Straße: ‚Haltet den Dieb“, um von sich selbst abzulenken. Dieser ganze Vorgang von Vogt war, wie vieles bei ihm, reine Show und trieb seine vermeintliche Sicht der Dinge weiter voran. Der Aufsichtsrat formulierte es in einer Mail an Vogt so: „Ihr Programm besteht nur noch aus geschickt inszenierten Diffamierungskampagnen aus Ihrem Umfeld gegen anders Denkende und dem Herausstellen Ihrer sich selbst zugeschriebenen Rolle in der Datenschutzaffäre.“

Vogt war der strahlende und inzwischen populäre Präsident, der VfB als Verein hingegen der große Verlierer.

Offene Geheimnisse – versteckte Tricks

Aus dieser Gemengelage und Verzweiflung heraus darf man die offenen Worte von Thomas Hitzlsperger einsortieren. Natürlich war er der falsche Absender dieses Briefs, als Vorstandsvorsitzender war er dazu nicht berechtigt. Es muss die reine Verzweiflung gewesen sein, die ihn zu diesem Schritt trieb. Man kann über Thomas Hitzlsperger vieles sagen, aber ganz sicher nicht, dass er sich nicht für den Verein einsetzte und dass ihm der Verein nicht am Herzen lag. Das Gegenteil war und ist der Fall! Er hatte damals die Hoffnung, dass seine Popularität in der Fanszene ausreiche, um das Ruder wieder in die Hand zu bekommen. Dass er damit Vogt indirekt in seineStrategie hineinspielte, konnte er auch nicht ahnen. So musste das kommen, was kam: Vogt wurde von der Fanszene in ungeahnte Höhen katapultiert, wie es noch nie ein VfB-Präsident bis dahin geschafft hatte. Im Vereinsbeirat, der ursprünglich Vogt gar nicht mehr zur Wahl zulassen wollte, kam es zur Rücktrittswelle. Die Stuttgarter Nachrichten formulierten es so: „Wochenlang hatte es so ausgesehen, als habe Claus Vogt keine Chance, für eine Wiederwahl nominiert zu werden. Im letzten Moment hat sich die Vogt-Fraktion um André Bühler, Marc Nicolai Schlecht und Rainer Weninger durchgesetzt – auch weil Claudia Maintok und James Bührer schon vor der entscheidenden Sitzung am Sonntag ihre Mandate niedergelegt hatten. Auch der Vorsitzende Wolf-Dietrich Erhard ist auf dem Rückzug – dass er sein Amt vorerst nur ruhen lässt, liegt daran, dass er die Geschäftsfähigkeit des Gremiums nicht gefährden will.“

Das Spiel endete aber nicht an dieser Stelle, es ging geradezu weiter im anstehenden Wahlkampf2021. Schon bei der ersten Wahl im Dezember 2019 hatte der Geschäftsführer der Filialkette Osiander, Christian Riethmüller, als Herausforderer die unschönen Seiten erlebt: Er brauchte bis zum Ende des Wahlkampfs, bis er verstand, wie Vogt mit seinen strategischen Anhängern auf Twitter und in diversen Internetblogs jede kleinste ungeschickte Äußerung zum veritablen Skandal aufbauschte. Denn Skandale sind Vogts Sache – so etwa das angebliche Facebook-Posting von Christian Riethmüller über den damaligen VfB-Spieler Ascacibar, in dem er sich negativ über den Spieler äußerte. Riethmüller sagte damals zur Presse: „Irgendwer will mich aus dem Spiel haben.“

Im Wahlkampf 2021 hatte der Herausforderer Pierre-Enric Steiger in der ersten Pressekonferenz betont, er hätte Maßnahmen ergreifen und sich professionelle Unterstützung holen müssen, da es bereits erste Angriffsversuche auf seine Accounts auf Facebook und auf Instagram gegeben habe. Auch bei Steiger wurden künstliche Skandale erzeugt. Einem bis dahin integren Präsidenten einer renommierten gemeinnützigen Stiftung wurde plötzlich nach einer Podcast-Sendung aus dem Fanumfeld Rassismus vorgehalten, da er sich über den Zusammenhang der christlichen Nächstenliebe und der Qualität der Notfallrettung ausließ. Dieser Vorwurf wurde als erstes von der Stuttgarter Zeitung am 29. Juni 2021 aufgegriffen, die dann am 1. Juli 2021 den Vorwurf selbst als ungerechtfertigt bezeichnete, um ihm jetzt aber in demselben Artikel Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen, weil er sich nicht erklären konnte, warum es im „VfB Freundeskreis“, einem besonders finanzstarken„VfB-Fanclub“, so wenige Frauen gab. 

Bemerkenswert war auch, dass Mitarbeiter des VfB tatsächlich angewiesen wurden, Kontakt mit Steiger im Wahlkampf nur mit vorheriger Genehmigung durch den amtierenden Präsidenten haben zu dürfen. Steiger machte diese undemokratische Vorgehensweise öffentlich, Vogt verteidigte das Vorgehen, da man angeblich einem Geheimnisverrat vorbeugen müsse. Steiger dürfe nicht alles wissen – schon aus Gründen des Datenschutzes. Da ist es wieder, das „Wunderwort“ Datenschutz, mit dem alles „erschlagen“ werden kann.

Im Wahlkampf 2021 ging es aber nicht nur um Vogt, dieser war eher nebensächliche Figur, sondernauch um die Posten im Präsidium und im Vereinsbeirat, die eigentlichen Machtapparate von Claus Vogt. Über das sehr zweifelhafte Nominierungsverfahren könnte man einen eigenen Beitrag verfassen. Die Art und Weise, wie das Auswahlgremium besetzt ist, ist offensichtlich eine Schwachstelle in der Satzung: Amtierende Vereinsbeiräte haben hier indirekten Einfluss darauf, wer ihre eigenen Herausforderer sind. Mit transparenter Demokratie hat das allenfalls sehr wenig zu tun -wie so vieles beim VfB. „Zirkelbezug“ ist hier der Fachbegriff, der den Fehler der Satzung beschreibt und den es eigentlich gar nicht geben dürfte.

Rainer Weninger und André Bühler als frische neuer Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender, nach dem im Februar 2021 Wolf-Dietrich Erhard sein Amt ruhen und Claudia Maintok aus dem Vereinsbeirat ganz zurücktrat, haben für sich die Chance genutzt und fast jede Podiumsdiskussion mit einer persönlichen Begrüßung und Einleitung im Wahlkampf begonnen. Diese Möglichkeit war allen anderen Bewerbern nicht gegeben. Somit konnten sich die genannten beiden Personen deutlich von allen anderen Bewerbern absetzen. Besonders auffällig war dies bei der ersten Vorstellungsrunde in der „VfB Soccer Lounge“ in der Mercedes-Benz-Arena am 24. Juni 2021. Hier hat man die Vorstellung aller Kandidaten nicht dem Moderator überlassen, vielmehr waren es Weninger und Bühler, die dies vornahmen, obwohl intern diese Vorgehensweise bereits im Vorfeld als „ungeschickt“ kritisiert wurdeund der Moderator Alexander Franke für die Vorstellung aller Kandidaten eigentlich vorgesehen war.

Weniger, Bühler und Schlecht sollten aus Vogts Sicht auf jeden Fall wiedergewählt werden, da sie es ihm ja erst ermöglichen konnten, erneut zu kandidieren. Ohne ihre Unterstützung wäre er aus dem Rennen gewesen. Sie gehören somit zu seinem engen Kreis der Verbündeten. Diese drei gaben sich bei jeder Veranstaltung als regelrechtes Team zu erkennen. Hubert Mörk, zu dem Zeitpunkt ebenfalls Vereinsbeiratsmitglied und auch Kandidat für die Wahl, spielte vor allem bei Bühler zu diesem Zeitpunkt schon keine Rolle mehr, denn man hatte eine klare Vorstellung davon, wen man im Gremium haben wollte und wen nicht. Mörk gehörte nicht dazu, was ihm selbst aber erst am Tag der Wahl aufgefallen ist, obwohl er nicht zu den Vogt Kritikern zählte und sich eher neutral in den heißen Monaten davor gab.

Denn mit Susanne Schosser, Martin Bitzer und Bernadette Martini gab es schon drei Kandidatinnen und Kandidaten, die sich offen für Claus Vogt einsetzten. Werner Gass und Kai Engler galten als „formbar“ oder als „Mitläufer“, wobei diese im Mehrheitsverhältnis des Gremiums keine Rolle spielten, da man auch andere Kandidaten akzeptiert hätte. So blieb aber noch eine Person, die für Claus Vogt einen wichtigen Strippenzieher darstellte: Michael Astor. Schließlich hatte gerade er ja Claus Vogt in Sachen „Datenaffäre“ zu der Frage beraten, wie man das Thema für Vogt nutzbar machen könne. 

Astor galt aber als Wackelkandidat mit Blick auf die Frage, ob er die nötige Stimmenzahl bekommen könne. Daher griff man ganz tief in die Trickkiste. Michael Astor verkündete wenige Tage vor der Wahl über die Sozialen Media, ein Gremiumsmitglied aus dem Anti-Vogt Lager, hätte versucht ihn als „U-Boot“ anzuwerben, damit er sich als „Vogt-Freund“ ausgebe. Im Gegenzug würde man ihm genügend Stimmen besorgen, damit er gewählt werden würde. Er solle später im Gremium aber im Sinne der „Vogt-Gegner“ arbeiten. Diese Geschichte machte er öffentlich, ohne bis heute einen Namen genannt zu haben oder die Frage zu beantworten, wer ihn angeblich ansprach. Auch Beweise konnte er bis heute keine dafür präsentieren, dass die Geschichte überhaupt jemals passiert war.

Die Geschichte sorgte für ein breites Echo. Die Stuttgarter Zeitung berichtete zuerst -interessanterweise genau der Redakteur, der auch schon auf wundersame Weise über das Esecon-Gutachten und alle anderen angeblichen Fehltritte der bisherigen Präsidentenherausforderer berichtete. Die Geschichte wurde vier Tage vor der Wahl umfassend gespielt. Fast alle Zeitungen der Region Stuttgart berichteten und auch Radiosender verbreiteten die Nachricht. Vogt bedankte sich öffentlich bei Astor für den „Mut“ das vor der Wahl offen zu sagen und somit für „Transparenz“ zu sorgen. Vogt bescheinigte Astor absolut lautere Absichten. Über Nacht war Micheal Astor das bekannteste Gesicht der Vereinsbeiratskandidaten. Ergebnis: Nach Andre Bühler errang er die zweitmeisten Stimmen und war somit sicher gewählt.

Wie im Märchenwunderland

Niemand hinterfragte den Wahrheitsgehalt dieser Angelegenheit. Wie wahrscheinlich wäre es denngewesen, mit den angeblichen Stimmen aus dem „Anti-Vogt-Lager“ überhaupt jemanden in ein Gremium hineingewählt zu bekommen? Für die Stimmungslage war klar: Über 95 Prozent der Mitglieder in der Mitgliederversammlung waren für Vogt und sein Lager. Das war Wochen vor der Wahl bereits absehbar und bestätigte sich mit den Wahlergebnissen entsprechend. Daher ist schon der Gedanke an diese Geschichte vollkommen unwahrscheinlich. In einem Tweet von Astor am 18.Februar 2022 auf die Frage angesprochen, er möge doch im Sinne der Transparenz den Namen nennen, der ihn damals angesprochen hätte, schrieb er folgende Antwort: „Das wäre nicht transparent gewesen, den Namen zu nennen, sondern ein Niveau, welches ich nicht pflege. Es gab nochmal ein persönliches Gespräch mit dieser Person und daher ist für mich hier auch ein Haken dran.“ 

Das ist also die Interpretation von Transparenz. Intransparenz wird jetzt als das bessere Niveau bezeichnet. Auf Twitter nannte das ein anderer Wahlbetrug! Es gibt keinen Beweis für die Geschichte, die Michael Astor offenkundig ins Amt brachte und die nötige Aufmerksamkeit bescherte, um im Vogt-Lager positiv aufzufallen. Dass Astor ein wichtiger Kämpfer für Vogt bleibt, zeigt sich in seinem Twitterverhalten von Januar bis Februar 2023. Um das besser zu verstehen, muss die aktuelle Ausgangslage beschrieben werden. 

Nehmen wir dazu den Umgang und die Faktenbasis der letzten „Skandale“ jüngster Zeit und beginnen wir mit einem weiteren Rechtsgutachten. 

Im November 2022 wurde bekannt, dass ein VfB-Mitglied, der ehemalige Herausforderer von Claus Vogt – Pierre-Enric Steiger – ein Rechtsgutachten über mögliche Satzungsverstöße von Vereinsbeiratsmitgliedern bei der Kanzlei Luther in Auftrag gegeben hatte. Dieses habe er laut Medienberichten Anfang November 2022 an Claus Vogt übergeben. 

Das Gutachten stellt auf über 20 Seiten dar, warum Andre Bühler und Marc Nicolai Schlecht gegen die Satzung verstoßen haben, wie sie damit automatisch ihr Amt verwirkt hätten und somit schon jetzt keine Mitglieder des Vereinsbeirats seien. Entsprechende Unruhe löste dieses Gutachten auch in den Gremien aus. Ein normales Vorgehen wäre gewesen, die VfB-Anwälte mit den Anwälten von Luther zusammenzusetzen und die Fälle gemeinsam mit Jan Räker als dem Justiziar des VfB zu erörtern. Das wurde aber von Seiten des VfB strikt abgelehnt. Statt den Sachverhalt transparent zu bewerten und im Sinne der Satzung zu handeln, gab es von Anfang an nur eine Strategie: Wie wird man das Gutachten und am besten den Auftraggeber in einem Schritt los?

Man täuschte so die Mitglieder und die Öffentlichkeit bis zum Äußersten, um die eigenen Vertrauensleute mit allen Mitteln im Amt zu halten. Denn das, was im Gutachten stand, war intern bereits vor dem Gutachten bekannt. Mehrere heftige Diskussionen im Vereinsbeirat und Präsidium um die Tätigkeiten von Marc Nicolai Schlecht waren dem Gutachten schon um Wochen vorausgegangen. Intern war in vielen Abteilungen bereits bekannt, dass es ein „Satzungsverstoß-Problem“ gibt. So schrieb bereits im September Martin Dietz von der Frauenmannschaft, ans Präsidium: „Die gut funktionierende ärztliche Betreuung durch Marc Nicolai Schlecht kann nach unserem Infostand aus Satzungsgründen nur über den e.V. verrechnet werden. Budgetseitig hatten wir die ärztliche Betreuung der 1. Mannschaft zugeordnet, in der IstErwartung haben wir die anfallenden Kosten jetzt aber im e.V. belassen, um das etablierte Modell sicherzustellen. Vielleicht gibt es aber zukünftig auch noch andere, bessere Möglichkeiten die Thematik satzungsgemäß korrekt zu handhaben.“

Dass ein Verein überhaupt einen Mannschaftsarzt beschäftigt für eine Frauen Oberliga, ist bereits mehr als ungewöhnlich. Nachdem aber Schlecht jetzt die 1. Frauenmannschaft wegen der Satzung nicht mehr betreuen darf, hat man seinen Vertrag einfach auf die 2. Mannschaft in der Bezirksliga und die U17 eingeschränkt – zu denselben Konditionen. Kein anderer Verein in Europa gönnt sich das – und das bei der Finanzlage des VfB. Hinzu kommt, dass dieser Posten nie ausgeschrieben wurde und einfach ohne Absprache an ein Gremiumsmitglied vergeben wurde. Da stellt sich die nächste Frage:Warum ist dieser Vertrag eigentlich erforderlich?

Dr. Marc Nicolai Schlecht hat als Mediziner keine Kassenzulassung. Er darf nur Privatpatienten versorgen. Da die Spielerinnen in der Regel alle gesetzlich versichert sind, können die Leistungen mit der gesetzlichen Krankenkasse nicht abgerechnet werden. Mit dem Vertrag fungiert der VfB quasi wie eine private Krankenversicherung – mit dem exklusiven Arzt Dr. Schlecht. 

Da Marc Nicolai Schlecht immer betont, er würde nur eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen, sollte man sich eine E-Mail von Ende Oktober 2022 an das VfB-Präsidium ansehen. In dieser E-Mail werden die Vertragsinhalte mit Dr. Schlecht, durch den Assistenten von Vogt, Marco Fischer, aufgezeigt: Schlecht hat Verständnis dafür, dass das Präsidium den eingeschlagenen Weg der medizinischen Betreuung für die 1., 2. und U17-Frauenmannschaft auf Basis der geänderten Rahmenbedingungen (Übertragung 1. Mannschaft an die AG) nicht mehr befürworten kann, da die Abwicklung – wie von Jan Räker berichtet – als nicht satzungsgerecht erachtet werden könnte.

Aus der Präambel des Nachtrags sollte dann klar hervorgehen, dass ausschließlich die geänderten Rahmenbedingungen und die damit einhergehende Satzungsproblematik dazu führen, dass er sein Amt als Mannschaftsarzt der 1. Frauenmannschaft im Rahmen der bestehenden Kooperation nicht fortführen kann.

Im Nachtrag müsste außerdem geregelt sein, dass Schlecht weiterhin seine Leistungen zu den bisherigen Konditionen für die 2. und U-17 Mannschaft bis zum Ende der Vertragslaufzeit erbringen wird. Die Abrechnung erfolgt wie gewohnt anhand der Anzahl der Konsultationen (hierzu zählen übrigens nicht nur Besuche/Behandlungen in der Praxis, sondern bspw. auch Telefongespräche), die jeweils am Monatsende per Gesamtaufstellung an Lisa gehen.

„Schlecht ist es ein großes Anliegen, dass für die MGV 2023 (Anm.Red: Mitgliederversammlung 2023) ein Satzungsänderungsantrag seitens des Präsidiums eingereicht wird, so dass es ihm (bei Zustimmung durch die Mitglieder) künftig gemäß Satzung eindeutig möglich ist, Mitglied des Vereinsbeirats zu sein und darüber hinaus die medizinische Betreuung der 1. Frauenfußballmannschaft zu übernehmen (wofür unabhängig vom e.V. eine Vereinbarung zwischen Schlecht und der AG zu schließen wäre). Zudem würde sich Schlechtfreuen, wenn er seitens der AG zugesichert bekäme, dass er die medizinische Betreuung der 1. Frauenmannschaft (nach erfolgter Satzungsänderung) wieder übernehmen darf und dieses Anliegen seitens des Präsidiums bei Alex Wehrle platziert wird.

Hier wird deutlich, mit welchem Selbstverständnis Dr. Schlecht seine Tätigkeit sieht. Ginge es ihm wirklich um den Frauenfußball, dann hätte er einfach sein Mandat im Vereinsbeirat niederlegen können. Man sollte meinen, ein Mannschaftsarzt, der ständig zur Verfügung steht, sollte bedeutender für den Verein sein als ein Gremium, das laut Satzung eigentlich mehr eine beratende als eine wirklich entscheidende Funktion hat, wenn man von der Wahlnominierung absieht, die es theoretisch nur alle vier Jahre geben sollte. Somit bringt er durch sein Festhalten an beiden Funktionen den Verein in bedrohliche Schwierigkeiten. 

Zudem ist bemerkenswert, dass sich die anderen Abteilungen des VfB bislang nicht beschwerten. Denn der Hockey-Abteilung und der Leichtathletik-Abteilung ist ein Mannschaftsarzt bislang verwehrt geblieben – und das, obwohl Hockey in einer viel höheren Liga spielt und Leichtathletik sogar international bis zu den Olympischen Spielen vertreten ist. Zu überzeugen vermögen die „Begründungen“ also kaum.

Beim Thema Satzungsverstoß bei Dr. Schlecht kommt noch hinzu, dass Schlecht auch Torwarttrainer bei der 1. Frauenmannschaft war und das auch noch nach der Übertragung der 1. Mannschaft an die AG. Auch diese Tätigkeit wurde durch Jan Räker als VfB-Justiziar intern als Satzungsverstoß angemahnt. Um den Sachverhalt zu verschleiern, wurde Schlecht aus dem ursprünglichen Mannschaftsfoto der Frauenmannschaft als Torwarttrainer entfernt – ein Vorgang, den Marc Nicolai Schlecht nicht nachvollziehen konnte. Aus seiner Sicht, die er auch schriftlich per E-Mail an Jan Räker schrieb, sei die Arbeit als Torwarttrainer ein Hobby von ihm – und ein Hobby sei kein Ehrenamt für den Verein. Somit könne dies kein Satzungsverstoß sein. Dieses Rechtsverständnis zeigt die generelle Auffassung, wie man sich beim VfB das Recht „hinbiegt“. Denn tatsächlich steht in § 12.8 der VfB-Satzung, dass schon eine ehrenamtliche Tätigkeit in der AG eines Gremienmitglieds des e.V. ein Verstoß gegen die Satzung sei.

Auch beachtenswert ist, wie man der Öffentlichkeit mit einer Stellungnahme des Präsidiums am 24.November 2022 zum Thema „Gutachten zum Satzungsverstoß“ darstellte, dass man die Rechtslage zu dem Gutachten von Luther intensiv intern, aber auch extern hat prüfen lassen. Das liest sich von der durch den VfB beauftragten, Kanzlei Haver & Mailänder in einer E-Mail an Räker allerdings anders: „Bitte habe Verständnis dafür, dass wir in der Kürze der Zeit kein umfassendes Gutachten wie die Kollegen von Luther erstellen konnten, aber ich hatte Dich so verstanden, dass es Euch vor allem um eine erste objektive Einschätzung geht.“

Jan Räker schreibt selbst an das Präsidium nach Durchsicht des Gutachtens folgenden Satz: „Es lässt sich grundsätzlich festhalten, dass das Luther-Gutachten seriös erstellt wurde

Beängstigend ist dem VfB durch das Luther-Gutachten aber erst ein Punkt aufgefallen, den vorher niemand beim VfB und vor allem der Justiziar nicht „sah und vorher nicht bewusst war – nämlich derUmstand, dass sich ein Satzungsverstoß in einem Verein, im Gegensatz zu einer AG oder GmbH, nicht juristisch „heilen“ lässt. Ist der Verstoß eingetreten, so ist in der juristischen Sekunde das Amt verwirkt. So findet sich in der Stellungnahme von Jan Räker ans Präsidium folgende Einleitung: Marc Schlecht ist leider unser rechtlicher „Problemfall“, denn dem Gutachten ist wohl zuzustimmen, dass bei einem Verstoß gegen $12 Abs. 8 der Satzung ein automatischer Amtsverlust eintritt, ohne dass ein Rücktritt oder ein „Rauswurf“ erforderlich wäre und auch ohne dass man dies durch eine Einstellung des verletzenden Verhaltens noch verhindern könnte, sodass auch kein Wahlrecht bestünde, das Amt niederzulegen oder die Tätigkeit einzustellen. Durch das bereits erfolgte Verhalten wäre das Amt „weg. Damit wären auch alle Beschlüsse des Vereinsbeirats ungültig, bei welchen Marc Schlecht die entscheidende Stimme gehabt hätte,…“

Das hätte vor allem für die erst gerade getroffene Vergütungsvereinbarung für den VfB Präsidenten Claus Vogt gegolten. Dieser gerade erst nach über 14 Monate ausverhandelte Vertrag könnte mit dem Wegfall der Stimme Schlechts im Vereinsbeirat jetzt angefochten werden. Nachdem man sich dann allerdings Gedanken um die Frage gemacht hat, mit welchen Argumenten und künstlich erstellten Konstrukten man es doch noch drehen könnte, damit es zu keinem Satzungsverstoß komme und Schlecht somit weiter im Vereinsbeirat verbleiben könne, kommt Räker zu folgendem Fazit: „Unten in der Mail von Timo Alte findet Ihr ausführlich die Gründe, die für eine Zulässigkeit dieses Handelns sprechen, sowie seine (von mir geteilte) Einschätzung, dass man vor Gericht mit diesen Argumenten etwa eine 50/50-Chance hätte.“

Wie dann der VfB direkt einen Tag später öffentlich verkünden kann, dass es keinen Satzungsverstoß gegeben habe, bleibt ein Rätsel, das nur Vogt und Adrion beantworten können, da nur diese beiden die Erkenntnis hatten, da Riethmüller als einziger im Präsidium den Satzungsverstoß gegeben sah und gegen die Stellungnahme votierte – 2:1. Damit war es beschlossen und wurde als erledigt erklärt.In der VfB Stellungnahme des Präsidiums ließ es sich dann so: „Die Tätigkeit von Dr. Marc Nicolai Schlecht für die 1. Frauenmannschaft des VfB Stuttgart erfolgte als externe Dienstleistung und ist vom in der Satzung gemeinten Verbot einer Doppeltätigkeit für AG und e.V. nicht erfasst. Es gibt daher keinerlei Veranlassung, dass Dr. Marc Nicolai Schlecht aus dem Vereinsbeirat ausscheidet. Um jegliche Diskussionen zu vermeiden, beendet er dennoch seine Tätigkeit für die 1. Frauenmannschaft. Das Präsidium bedauert, dass dem Team dadurch eine wichtige Unterstützung verloren geht und bedankt sich bei Dr. Marc Nicolai Schlecht für sein Engagement. In diesem Zusammenhang stellt das Präsidium fest, dass dem VfB Stuttgart durch die Weitergabe des externen Gutachtens an Dritte geschadet wurde.“ Mit dieser Formulierung wollte man bewusst das Ausscheiden von Schlecht als Mannschaftsarzt und die Veröffentlichung durch Dritte, dem Auftraggeber des Gutachtens unterschieben, um ihn so für die Zukunft zu diskreditieren. 

Interessant ist dabei. dass die ersten Veröffentlichungen und Hinweise zum Gutachten im Netz bei Leuten auftauchten, die eher Vogt und nicht Steiger nahestehen – wie auch schon beim Esecon-Gutachten zuvor.

Wäre es dennoch zu einer Protestwelle gekommen, dann beabsichtigte man, Steiger zum „Sündenbock“ zu machen. Das lässt sich zumindest aus dem Protokoll des Vereinsbeirats aus dem Dezember 2022 herauslesen. Denn hier sinnierte Andre Bühler darüber, dass man Steiger verklagen könne. So findet es sich im Protokoll der Dezember-Sitzung 2022 des Vereinsbeirats die folgende Textpassage: „Bühler: hält die Veröffentlichung und Weiterleitung des Gutachtens ohne Zustimmung der betroffenen Personen für unzulässig; eine Klage wäre für Steiger „richtig heftig““

„Bühler: hält den Weg über WhatsApp ebenfalls für rechtlich sehr fragwürdig, denn Datenschutzbestimmungen werden bei WhatsApp nicht eingehalten; auch hier wäre eine Klage sehr aussichtsreich.“

„Schlecht: überlegt sich, ob er Steiger nicht rechtlich belangen soll. Er stellt die Frage nach dem weiteren Umgang mit der Person Steiger und fordert eine einheitliche Vorgehensweise des Vereinsbeirats in Bezug auf den Kontakt mit dieser persona non grata.“ 

Juristen widersprechen auf Nachfrage diesen Auslassungen von Bühler und Schlecht: Eine Klage der genannten Punkte wäre völlig erfolglos. Emotional kann man sicherlich die Haltung und Gedanken nachvollziehbar, da ja ihre jeweiligen Posten gefährdet sind. Aber Steiger ist den Betroffenen nicht nur wegen des genannten Gutachtens ein Dorn im Auge. Denn Steiger ist für Vogt und Bühler ein nicht enden wollender „nerviger Fall“.

So schrieb die VfB Hockey Abteilung auf ihrem Facebook Account am 17.07.2022, „Danke Pierre-Enric Steiger für die tolle Unterstützung aller VfB Abteilungen.“ Hintergrund hierfür ist, das Steiger offenkundig immer wieder Sponsoren und Spenden für die VfB Abteilungen generierte.

Fast hätte man seitens des VfB Steiger auch noch damit beauftragt, die Finanzierung für die 100-Jahrfeier der Schiedsrichterabteilung zu organisieren. Aber das wurde nach heftiger kritischer Intervention durch Michael Astor im Vereinsbeirat gerade noch rechtzeitig unterbunden. Im Dezember-Protokoll des Vereinsbeirats findet sich hierzu folgender Gesprächsauszug: „Kai Engler berichtet, dass er intensiven Kontakt mit Steiger wegen der Finanzierung des 100jährigen Bestehens der Schiedsrichter-Abteilung hatte.

Michael Astor platzt der Kragen, als er dies hört. Dies wurde in der Projektgruppe anders besprochen; man will den regionalen Vereinen nicht die Spenden wegnehmen; außerdem sollten alle Sponsormaßnahmen in eine Strategie eingebettet sein.

Kai Engler beruft sich auf einen Präsidiumsbeschluss, dass er Kontakt mit Steiger aufnehmen solle.“ 

Eine Antwort der Abteilungen auf die Frage, wie dann jetzt die zukünftigen Summen aufgebracht werden sollen, konnte die VfB-Führung bislang nicht geben. Ein Sponsorenkonzept für die einzelnen Abteilungen liegt beim VfB seit Amtsbeginn von Vogt bis heute nicht vor. In diesem Zusammenhang ist auch beachtlich, dass die Projektgruppe „Sponsoring“ von Michael Astor geführt wird und nicht von Andre Bühler. Schließlich ist das genau sein Lehrbereich an der Hochschule Nürtingen-Geislingen (HfWU). Genauso erstaunlich ist, dass Bühler trotz seines Fachwissens in diesem Bereich, dem VfB noch keine Sponsorengelder hat bringen können. 

Gut für Schlecht

Mit der anfänglichen Entscheidung, dass Schlecht die 1. Mannschaft weiter betreut (was er bis November 2022 tat), hat der gemeinnützige VfB e.V. eigentlich Kosten für die AG bezahlt. Das wäreein Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht und damit eine Veruntreuung vom gemeinnützigen Vereinsvermögen. Der Vorgang wurde durch ein Mitglied aus Ulm tatsächlich zur Anzeige gebracht. Dass sich der VfB bezüglich des möglichen Inhalts einer Anzeige ahnungslos gibt, ist fast schon amüsant – nach all den internen Unterlagen, aus denen bis hierher zitiert wurde. Dass dieser Vorgang finanz- und gemeinnützigkeitsrechtlich ein Problem darstellen könnte, hatte bereits im November 2022 Christian Riethmüller intern angemerkt, der dabei zugleich um Klärung des Sachverhalts gebeten hat. 

Auch dass der VfB kommunizierte, man hätte ihn von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht informiert, war lediglich ein Versuch, in der Kommunikation darzustellen, dass da nichts stimmig sein könne, wenn der VfB keine Kenntnis zur Anzeige hätte. Was der VfB an dieser Stelle nicht erwähnt: In einem laufenden Ermittlungsverfahren erhält niemand Kenntnis – vor allem nicht der, gegen den ermittelt wird. Somit ist es ganz normal, dass der VfB anfänglich keine Informationen erhalten hat. Dieses Vorgehen des VfB folgt aber einem Muster, Aufregung um ein „harmloses“ Thema erzeugen, um damit vom eigentlichen Problem abzulenken. 

Was dieser ganze Fall Schlecht zeigt: Zum Wohle einiger Gremienmitglieder ist man bereit, sogar die Gemeinnützigkeit des ganzen VfB e. V. zu riskieren. Man verschleiert Satzungsverstöße, begeht mögliche steuerlichen Rechtsbruch und verkündet in fragwürdigen Stellungnahmen seine Sicht der Dinge, die weit entfernt sind von den realen Gegebenheiten.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Allerdings liest sich die Begründung interessant. Die Staatsanwaltschaft kommt zumindest zu der Erkenntnis, das Dr. Marc Schlecht bis Dezember 2022 für die AG tätig war. Der e.V. sei einziger Vertragspartner mit Schlecht. Da es eine Abrechnungsobergrenze bei 5 Konsultationen pro Monat gibt und diese jeden Monat deutlich überschritten wurde, sei eine Abgrenzung eines finanziellen Schadens des e.V. gegenüber der AG nicht nachweisbar. Der Vermögensschaden wäre erst bei Unterschreiten der Obergrenze eingetreten. Allerdings schreibt die Staatsanwaltschaft auch: „Insoweit ist der Vertrag unklar.“ Wie so vieles beim VfB unklar und intransparent ist. Allerdings könnte sich Claus Vogt dennoch zu früh gefreut haben, als die Nachricht der Einstellung des Strafverfahrens verkündet wurde: Das Finanzamt Stuttgart hat nach bisherigen Informationen die Prüfung der Gemeinnützigkeitsfrage in diesem Fall noch nicht abgeschlossen. Somit könnte sich das Bild doch noch negativ für den VfB auswirken.

Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich auch aus der Tätigkeit von Andre Bühler bezüglich des VfB-Masters. Auch hier werden die Verträge nicht offengelegt. Es wird nicht kommuniziert, wie Bühler in dieser Konstellation eingebunden ist. Es wird nicht offengelegt, dass es zum VfB-Master eine eigens gegründete „Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gibt. Es wird nicht veröffentlicht, dass an dieser GbR nicht nur der VfB, sondern auch eine von Bühler extra gegründete „Firma“ beteiligt ist, oder wie die Mitwirkung des „Deutschen Instituts für Sportmarketing“, in dem Bühler zusätzlich Direktor ist, am VfB-Master finanziell profitiert und die Anteilsverteilung in der GbR genau aussieht. Nur aus den AGBs lässt sich herauslesen, das auch nicht die Hochschule Nürtingen selbst Vertragspartner des VfB ist, sondern die „Weiterbildungsakademie WAF“. Und zu guter Letzt wird nicht transparent bzw. gar nichtdargestellt, wie sich die 19.900 Euro Studiengebühr pro Student unter den Beteiligten aufteilen und wer am Ende was an diesem VfB-Master verdient und welche Vorteile Andre Bühler aus dem VfB-Master persönlich zieht.

Hier verweist Bühler auch bei internen Anfragen von Gremienmitgliedern darauf, alles sei rechtens, alles sei geprüft. Beweise, Unterlagen oder ähnliches wurden von ihm nie vorgelegt. Auf sein Wort müssen die Gremienmitglieder vertrauen. Nicht einmal ins Protokoll durften seine mündlichen Ausführungen 2019 aufgenommen werden, als seine Rolle beim VfB-Master erstmalig im Vereinsbeirat diskutiert wurde, aufgenommen werden. Dazu fehlt nur noch der für den VfB inzwischen berühmte umgangssprachliche Satz: „Entspannt euch mal.“ Das ganze Konstrukt ist und bleibt dabei trotzdem höchst intransparent. Dennoch hat die Kanzlei Luther einen klaren Zusammenhang der Tätigkeit von Bühler innerhalb des VfB-Masters herausgearbeitet, der aus deren Sicht klar gegen die VfB-Satzung verstößt. Für den im Gutachten aufgezeigten Verstoß seien die vertragliche Konstellation und die Rechtsform des VfB-Masters im Grunde sogar irrelevant. 

Dabei alles andere als irrelevant sind die Hintergründe in diese Sache: Die Leiterin der VfB-Akademie ist Frau Yvonne Kosian-Räker – und damit die Ehefrau von Jan Räker, dem VfB-Justiziar. Mutmaßlich und nach internen Gerüchten des VfB kam Frau Kosian-Räker zu dem Job als Leiterin der Akademie auf Empfehlung von Bühler, der die Gründung der VfB-Akademie entscheidend vorangetrieben hat.Die Akademie und vor allem den VfB-Master bezeichnet er selbst gerne als sein eigenes Baby. Frau Kosian-Räker war vorher als Elternzeitvertretung in der Personalabteilung des VfB eingesetzt. Diesen Posten musste sie aber beenden, als die Kollegin aus der Elternzeit zurückkam und auf ihren angestammten Platz zurückwollte. Deshalb musste ein neuer Posten für Frau Kosian-Räker gefunden werden – und da kam mutmaßlich die Idee von Bühler mit Blick auf die VfB-Akademie gerade recht.

Im Gegensatz zu allen öffentlichen Verlautbarungen wurde Andre Bühler allerdings nicht durch Hinzuziehung einer externen Kanzlei vom VfB geprüft. Bei der externen Prüfung hat man sich nur auf Schlecht konzentriert. Bühler wurde nur intern beim VfB und damit von Jan Räker „geprüft“. Warum? Rein aus dem Interessenskonflikt mit seiner Ehefrau in der Akademie hätte er diese Prüfung nicht durchführen dürfen. Trotzdem ist es seine juristische Bewertung, die sich in den Unterlagen zur Beurteilung des Luther-Gutachtens findet – und sonst keine andere.

Aber was ist beim VfB schon ein Interessenskonflikt, wenn es die eigenen Interessen zu schützen gilt? Jan Räker, der übrigens als Datenschutzbeauftragter des VfB im Jahre 2017 fungierte und als einer der wenigen involvierter in dem „Datenskandal“ ohne gravierende arbeitsrechtliche Konsequenzen blieb, ist seit Mitte Dezember 2022 auch noch zum Direktor befördert worden. Unter Thomas Hitzlsperger wurden aus Kostengründen Direktorenposten abgebaut, inzwischen werden sie wieder aufgebaut. Der VfB scheint unter den „Vogt-Gefolgsleuten“ keinen finanziellen Engpass zu haben. In den Bereichen scheint immer Geld zur Verfügung zu stehen. 

In dieser Form des Vorgehens kann man die Personalbesetzungen beim VfB noch mit vielen weiteren Beispielen betrachten. Dies verläuft immer nach demselben Muster. Auch die Aufsichtsratsposten in der AG wurden ganz ähnlich zusammengestellt. Die sportliche Kompetenz und höhere Vereinsbeteiligung im Aufsichtsrat, die Vogt im Wahlkampf versprochen hatte, findet man in der Neubesetzung überhaupt nicht wieder. Im Gegenteil. Hier musste der eigentlichen „Fan-Vertreter“ Bertram Sugg vom „OFC Fanclub Courage Gerlingen“ den Aufsichtsrat verlassen, weil er für Vogt zu kritische Fragen im Gremium stellte. Wie es zur neuen Zusammenstellung kam, bleibt Vogts Geheimnis. Das Mercedes und Jako in der Hauptversammlung in Teilen gegen diese Aufsichtsratsliste gestimmt haben, ist inzwischen öffentlich bekannt. Da Vogt als VfB-Präsident aber mit fast 88 Prozentdie Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung besitzt, können die Investoren nichts dagegen unternehmen, außer verärgert zurückzubleiben. Die Konsequenzen dieses ständigen Machtspiels erlebt der VfB gerade im Rückzug seines Hauptsponsors Mercedes-Benz Bank. 

Auch die in den Medien bereits umfänglich geführte Entlassungsdiskussion von Trainer und Sportvorstand stand bei Vogt auf der Agenda. Er hatte schon bei der Einstellung von Pellegrino Matarazzo im Aufsichtsrat dagegen gestimmt und war ein Gegner der Vertragsverlängerung. Vogt hatte da im Aufsichtsrat aber noch keine Mehrheiten. Das hat sich jetzt offenkundig geändert, auch wenn die Darstellung nach außen immer anders kommuniziert wurde. Die Entlassung des Trainers sei eine Entscheidung des Sportdirektors und die Beurlaubung des Sportdirektors eine Entscheidung des Vorstands. Vogt „wusch seine Hände immer in Unschuld“. Intern Beteiligte berichten dies aber ganz anders. Vogt habe sehr wohl Einfluss genommen, und zwar als Vorsitzender des „Präsidialausschusses“, einem Gremium des Aufsichtsrats, das sich verstärkt in tagesaktuelle Themen einschaltet. Dem Gremium gehören Claus Vogt, Rainer Adrion, Peter Schymon und Alex Wehrle an und nach aussen tritt es so gut wie gar nicht in Erscheinung.

Neuer Datenskandal beim VfB?

Genauso agiert er auch mit den Versicherungspolicen des VfB, die er zum wiederholten Male seinem persönlichen Freund und Allianz Versicherungsmakler Gianclaudio Sena zuschieben lassen will, der auch für Vogts eigene Firma die Versicherungen verwaltet. Bislang scheiterte dieses Vorgehen an den Gegenstimmen von Adrion und Riethmüller. Aber Vogt lässt auch hier nicht locker und versucht die Policen weiterhin mit allen Tricks, von der bisherigen Agentur Dr. Ellwanger & Kramm – die die Versicherungen seit über 30 Jahren für den VfB verwalten, seinem Freund Sena zukommen zu lassen. 

Seit Herbst 2022 sind im Netz entsprechend immer mehr Rufe nach einem Rücktritt von Claus Vogt unter dem Hashtag #vogtraus in den Sozialen Medien entstanden. Einige User haben sich besonders dabei hervorgetan, gegen den Präsidenten und andere Gremienmitglieder Abwahlaufrufe zu starten. Rechtlich zu beachten ist hierbei: Es geht zum Teil um direkte Diffamierungen einzelner Personen und nicht um den VfB im Allgemeinen.  

Nun haben es sich offensichtlich Rainer Weninger und Andre Bühler zur Aufgabe gemacht, Twitterer und User auf Facebook, die sich besonders heftig mit Vogt und vorzugsweise Bühler im Netz ausließen, ausfindig zu machen. Hierbei hat man in den Profilen der Pseudonyme sowie in den sonstigen Veröffentlichungen in den jeweiligen Accounts nach Daten gesucht, die eventuell etwas über die wahre Identität verraten könnten. Hierfür waren drei Daten von besonderem Interesse. Hat der Twitterer sich als VfB Mitglied geoutet, gibt es ein Geburtsdatum und gibt es einen Wohnort?Wenn man diese drei Daten hat, kann man in der VfB-Mitgliederdatenbank einen Datenabgleich machen und Treffer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit herausfiltern. Genau das haben Weniger und Bühler mit Erfolg getan, so auch nachzulesen im Protokoll des Vereinsbeirats zur Sitzung vom 13.Dezember 2022.  Da im Protokoll Pseudonym und Klarname direkt genannt sind wird hier im Artikel zum Schutz der betroffenen Person, nur der Schluss des Protokollteils zitiert, um die Anonymität zu gewährleisten.

„…bedient immer wieder das unterste sprachliche Register. Er soll zu einem Gespräch gebeten werden. Bernadett Martini warnt vor Datenmissbrauch.“ 

Tatsächlich wurden Twitterer mit Pseudonym schriftlich zum Gespräch ins Clubhaus des VfB gebeten. Manch einer wird sich insgeheim die Frage gestellt haben, wie man an seinen echten Namen und seine echte Adresse kam.

Vereinsbeiratsmitglieder können allerdings ohne Genehmigung des Präsidenten nicht an Mitgliederdaten herankommen. Der Verein selbst verwaltet diese Daten auch nicht. Die Mitgliederdaten werden als Dienstleistung für den VfB e.V. durch die VfB AG erbracht. Somit liegt hier ein wirklicher Datenmissbrauch vor. Es ist schon fast eine Ironie des Schicksals, dass Vogt und seine „Truppe“, juristisch einen echten Datenmissbrauch verursacht haben, der juristisch weitaus gravierender ist als der Datenskandal, der ihnen die Macht sicherte. Der Vorgang liegt bereits zur Prüfung beim Landesdatenschutzbeauftragten.

Man darf gespannt sein, mit welchen Erklärungen man diesmal versuchen wird, alles zu verteidigen. Geht es nach dem bewährten „Vogt-Kommunikationsmuster“, wird vom Inhalt abgelenkt werden, indem man nicht über den Inhalt spricht, sondern das Durchstechen von Informationen skandalisiert. Die nächste Standardformulierung lautet, dass man damit nicht die angegriffene Person schädige, sondern den Verein. Denn das gehört zur bewährten Strategie: Jeder Angriff auf Vogt, sei ein Angriff auf den VfB, wie es gerne heißt. Inhalte und Wahrheiten sind nicht erwünscht bei diesem „Führerprinzip“.

Dass dies Vereinsbeiräte wie Susanne Schosser und Martin Bitzer, die ursprünglich zum Vogt-Beführworterkreis zählten, nicht mehr mittragen wollten oder konnten, kann man in dem ganzen Kontext gut verstehen. Für unbedarfte Ehrenämtler, die mit der Vorstellung zur Wahl antraten, den VfB positiv zu entwickeln, muss es ein hartes Erwachen gewesen sein, diese Struktur und diese Machenschaften vorzufinden und mangels Mehrheiten und dem rhetorischen Druck von Bühler und den „cholerischen Schreianfällen“ von Schelcht in den Sitzungen ausgesetzt zu sein, kaum was verändern zu können. Unter diesem Blickpunkt war ein Rücktritt nur konsequent. Aber auch sie hat es dann getroffen: Ihre öffentlichen Rücktrittserklärungen wurden vom „Vogt-Lager“ unverzüglich als unwahr und als Lüge bezeichnet. 

Besonders auf Twitter ist Michael Astor an dieser Stelle hoch aktiv, um seine ehemaligen Kollegen zu diskeditieren. Die typische Vorgehensweise der Vogt Seite. Seit kurzem ebenfalls besonders beliebt, „Einzelgesprächen“ für Mitglieder und Fans auf Twitter und Facebook. Damit suggeriert man besondere Transparenz, Offenheit und Mitgliedernähe. Diese Maßnahme ist in Wahrheit das Gegenteil. Mitglieder können in Einzelgesprächen die getroffenen Aussagen kaum überprüfen. Transparent wäre es, die Fragen offen in einem Forum für jedermann nachvollziehbar zu kommunizieren. Aber das Thema professionelle Kommunikation ist beim VfB nach all der gemachten Erfahrung der letzten Monate ein besonderes Thema. Denn eines wiederholt sich immer: Das „System Vogt“ und sein Muster, von Inhalten ablenken, Mitgliedernähe vortäuschen, andere verantwortlich machen und sich selbst als Aufklärer und als rechtstreuen Präsidenten zu präsentieren. 

Willkommen beim VfB Stuttgart, willkommen beim „Verein für den großen Bluff“ und professionell betriebenen Abstieg.

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